BAG-Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung: Zurück zur Stechuhr?
> Januar 2023

Nach einem aktuellen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten zu erfassen.

In dem vorgenannten Beschlussverfahren ging es primär um die Frage, ob Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Initiativrecht bei der Einführung und Durchsetzung von Betriebsvereinbarungen zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung zusteht. Am Ende rückte die Antwort zu dieser Frage in den Hintergrund.
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Das BAG hat festgestellt, dass ein Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten (und dazu zählt die oben genannte Fragestellung zum Initiativrecht bei Arbeitszeiterfassungen) überhaupt nur dann gegeben sein könne, wenn eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestehe (§ 87 Abs. 1 BetrVG).

Nach Auffassung des BAG gibt es eine solche gesetzliche Regelung aber bereits. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG sei der Arbeitgeber bereits jetzt gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Damit entfiele ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.  

Die Folgen dieses Beschlusses sind weitreichend. Für die Fachwelt ist der Beschluss ein Paukenschlag. Zwar war man durch das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung im Mai 2019 gewarnt, wonach Unternehmen in der EU zukünftig alle Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzeichnen müssen. Allerdings haben branchen- und verbandsübergreifend alle damit gerechnet, dass diese europäische Rechtsprechung durch den deutschen Gesetzgeber etwas feiner ziseliert, beispielsweise im Hinblick auf die Vertrauensarbeitszeit oder dem mobilen Arbeiten, noch in nationales Recht gegossen wird.

Nun aber ist das höchste deutsche Arbeitsgericht dem Gesetzgeber mit einer pauschal für alle Arbeitgeber geltenden Entscheidung zuvorgekommen. Dieser Entscheidung wird man sich jedenfalls bis zu einer anderslautenden gesetzgeberischen Neuausrichtung nicht entziehen können.

Zwar bedeutet das Urteil nach unserer Auffassung nicht das Ende für die Vertrauensarbeitszeit, das flexible Arbeiten oder das Arbeiten im Home-Office. Der Arbeitgeber wird aber, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von digitalen Tools zur Arbeitszeiterfassung, die Arbeitszeiten aufzeichnen und diese Aufzeichnungen jedenfalls auf Plausibilität kontrollieren müssen.